Im besten Fall werden Gefährdungen bereits vorweg eliminiert, wie beispielsweise durch richtige Arbeitsabläufe (Substitution = S im STOP-Prinzip). Ist diese Eliminierung allerdings nicht möglich, tritt das TOP-Prinzip in Kraft. Diese Leitlinie gilt sowohl für die Auswahl der geeigneten Absturzsicherung als auch der Seilzugangstechnik (SZT). Hier kommt es vor allem auf die richtige Reihenfolge an.
S = Substitution
Im Zuge der Arbeitsschutzmaßnahmen sprechen Experten vom sogenannten STOP-Anwenderprinzip. Der Buchstabe S steht für Substitution und bedeutet, die potenziell stattfindende Gefahr bzw. Gefährdung im Vorhinein zu beseitigen. In Bezug auf Absturzsicherungen bzw. Seilzugangstechnik kommt diese in der Praxis allerdings nicht zum Tragen, da ein Sicherungssystem ansonsten nicht notwendig wäre. Für die Reinigung, Wartung und Pflege von Fassaden hat ein Auf-/Abstieg oder ein Zu-/Einsteigen des absturzgefährdeten Bereichs zu erfolgen. Diese Situation kann also nicht eliminiert werden. Deshalb klammern wir das S im weiteren Verlauf aus und konzentrieren uns auf das TOP-Prinzip für Fassaden.
T = Technische Maßnahmen
Eine Gefahr mittels technischer Maßnahmen zu mindern - genau dafür steht das T im TOP-Prinzip. Bei der Fassadensicherung gestaltet sich das gar nicht so leicht, da beispielsweise eine Gefahrenminimierung durchKollektivschutzan Fassaden generell nicht möglich ist. Einige wenige Optionen stehen dennoch zur Verfügung:
- Anbringung von Gerüsten oder Fassadenbefahranlagen, sprich Arbeitskörben, deren Einsatz als Arbeitsschutzmittel allerdings stark abhängig vom jeweiligen Fassadentyp bzw. der Gebäudestruktur ist. So wird für den Arbeitskorb am Dach ein Kragarm befestigt, der rund um das Gebäude fährt und ein Ablassen des Arbeitskorbes ermöglicht. Dies ist jedoch nur bei glatten Oberflächen möglich.
- Einrüsten eines Gebäudes, was allerdings auf Dauer keine zufriedenstellende Lösung darstellt.
Expertentipp:
Sie sollten bei der Fassadensicherung stets die Scheinsicherheit im Hinterkopf behalten. Diese tritt bei falschen, fehlenden oder unzureichenden Sicherheitsvorkehrungen, aber auch bei Nichteinhaltung der Reihenfolge des STOP-Prinzips auf.
Beispielsweise entsteht Scheinsicherheit bei falscher Anwendung eines vorhandenen Sicherungssystems, wie der Seilzugangstechnik, oder bei Anschlagpunkten, die keine ausreichende Eigenstabilität haben und im Falle der Anwendung die maximale Arbeitslast nicht verformungsfrei halten können.
O = Organisatorische Maßnahmen
Welche Gefahren lassen sich wie verringern? Damit beschäftigen sich die Sicherheitsverantwortlichen beim O, also den organisatorischen Maßnahmen. Hierzu zählen unter anderem
- die Begrenzung der Personenzahl an der exponierten Stelle
- die Umsetzung eines Schichtbetriebs (für die Wartung und Reinigung von Fassaden stellt sie jedoch keine sinnvolle Lösung dar)
- die Unterweisung der Mitarbeiter, d.h. PSAgA-Schulung oder Fachkundigen-Schulung
- u.v.m.
Expertentipp:
Die zertifizierte Ausbildung für Seilzugangs- und Positionierungstechnik an Fassaden bildet zugleich die Grundlage für das Arbeiten mit der Seilzugangstechnik. Relevante Fachverbände sind unter anderemFISATundIRATA.
P = Persönliche Schutzmaßnahmen
Das P im TOP-Prinzip steht für Persönliche Schutzmaßnahmen. Darunter sind Handlungen zum Schutz des Mitarbeiters mit der Persönlichen Schutzausrüstung gemeint. Die Auswahl einer der Norm entsprechenden PSAgA fällt in diesen Bereich, z.B. für den Praxisalltag in der Seilzugangstechnik. Laut dem Handbuch Seilzugangs- und Positionierungstechniken 3. erweiterte Auflage der FISAT, Seite 5 muss: „Die Grundausstattung der TRBS 2121 (technische Regeln für Betriebssicherheit) Teil 3 (insbesondere in Hinblick auf Seileinstellvorrichtungen gemäß DIN EN 12841:2006) und der Sicherheits- und Arbeitsrichtlinie Seilzugangs- und Positionierungstechnik der FISAT (FRS-SZP) entsprechen.
Empfohlen wird beispielsweise die PSAgA-Grundausstattung mit:
- Helm (DIN EN 12492 oder DIN EN 397) (PSA-EQUIP-16)
- Komplettgurt (DIN EN 358, DIN EN 361 und DIN EN 813) (STRING-1-PRO)
- Selbstblockierendem Abseilgerät (DIN EN 12841: 2006 Typ C) (PSA-EQUIP-7)
- etc.”
V = Verhaltensbezogene Maßnahmen: Erweiterung des (S)TOP-Prinzips
Das zusätzliche V steht für verhaltensbezogene Maßnahmen und ist in Bezug auf Absturzsicherung an Fassaden eine essenzielle Erweiterung des (S)TOP-Anwenderprinzips. Entsprechende Sicherheitsunterweisungen vor Aufnahme der Tätigkeit, jährliche Weiterbildungen im Anschluss und/oder Wiederholungsunterweisungen fallen in diesen Bereich. Sie vermitteln nicht nur fachliches Wissen, sondern auch Motivation. Außerdem legen sie fest, wie sich der Anwender im Sicherungssystem zu verhalten hat. Voraussetzung für sicherheitsgerechtes Verhalten oder Verhaltensänderungen sind lt.arbeitssicherheit.de:
- wissen
- können
- wollen
- dürfen
- müssen
Es geht also nicht allein um die Vermittlung von technischem Wissen, sondern auch um Akzeptanz. Die verhaltensbezogenen Maßnahmen in Bezug auf Absturzsicherung an Fassaden mit oder ohne Seilzugangstechnik sind gesetzlich geregelt.
Expertentipp:
Mehr zum STOP-Prinzip bzw. den Sicherheitsmaßnahmen in Bezug auf Absturzsicherung in der Industrie lesen Sie in unserem Blogbeitrag Rechtsgrundlagen, Haftung & Normen von Absturzsicherung in der Industrie.
Fazit: (S)TOP-Prinzip an Fassaden
Arbeitgeber sind gesetzlich dazu verpflichtet, für die Sicherheit ihrer Angestellten zu sorgen. Ein nachhaltiges Sicherungskonzept beinhaltet dabei nicht nur das passende System und die richtige Ausrüstung, sondern auch organisatorische, persönliche und verhaltensbezogene Maßnahmen. Dafür müssen alle Beteiligten die sicherheitsrelevanten Gegebenheiten kennen und für die Thematik sensibilisiert sowie geschult sein. Denn nur auf diese Weise gelingt ein Rundumschutz für die Reinigung, Wartung und Reparatur an Fassaden.
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